Die Wiedergeburt der steinernen Riesen
Am 5. Februar 1999 erfolgte der Spatenstich zum bis zu diesem Zeitpunkt größten Wohnbauprojekt Österreichs durch den damaligen Wohnbaustadtrat Werner Faymann. Die eigentlichen Arbeiten wurden schließlich ab April 1999 gestartet. Ab diesem Zeitpunkt war ich auch mit der Kamera dabei um die Arbeiten zu dokumentieren. Auf diesen Seiten wurde eine (kleine) Auswahl an Bildern zusammengestellt, die dieses Unterfangen anschaulich darstellen sollen. Mein besonderer Dank geht auch an den Bauleiter des Gasometer B, Ing. Klaus Enser, der einiges an Bildmaterial zur Verfügung gestellt hat. Fotos © Ewald Frühwirth, Ing. Klaus Enser.
Demontage der Dächer
Die Demontage der Dachkonstruktionen im März und April 1999. Das Dach des Gasometer B folgte erst im August 1999, da bis dahin die Vorarbeiten für die Veranstaltungshalle – im geschützten Inneren – stattfanden.
Zuerst gab es Überlegungen, die 140 Tonnen schweren Dächer mit einem VOEST-Kran abzuheben. Diese Maschine hatte aber nur eine Tragekapazität von rund 90 Tonnen. Ohne Beplankungen hätten die Kuppelkonstruktionen zwar nur noch jeweils 88 Tonnen gewogen, doch wohin hätte man die riesigen Stahlgerüste abladen sollen? Also entschieden sich die Techniker, die Kuppeln wie eine Torte aufzuschneiden. Nun wurde jedes Stück einzeln mit einem «normalen» Kran heruntergelassen. Wie sich dabei herausstellte, haben die Ingenieure vor 100 Jahren ganze Arbeit geleistet: Die Stahlkonstruktion, die nach den Umbauarbeiten wieder aufgesetzt wurde, war in einem technisch hervorragendem Zustand.
Der Abbau wurde in folgenden Abschnitten vorgenommen:
Die Demontage der Kuppeleindeckung erfolgte nach einem statisch vorgegebenen Ablauf, um das Tragwerk im Gleichgewicht zu halten. Die Unterstellung des Druckringes mit einer eigens konstruierten Plattform, die vorerst auf einem Kranturm montiert wurde. Um beim Abheben ein Ausknicken der Segmente nach unten zu verhindern, wurde die Unterspannung der einzelnen Kuppelsegmente mit Stahlseilen ausgeführt. Um die ganzen Segmente abheben zu können, erfolgte das Entfernen der Windverbände und der Winkelprofile in jedem zweiten Segment. Für das Hochpressen des Druckringes von der Plattform kamen Hydraulikpressen zum Einsatz, um den Zug- und den Druckring zu entlasten.
Um das Gleichgewicht zu halten, wurden nach erfolgter Entlastung von Zug- und Druckring die Segmente nach einer statisch vorgegebenen Reihenfolge mit Hochbaukränen mit einer Hakenhöhe zwischen 69 und 82 m nacheinander abgehoben. Das Abheben erfolgte in einer solchen Reihenfolge, dass immer zuerst mit zwei gegenüberliegenden Segmenten begonnen wurde, dann jene, die um 90° verdreht zu den zuerst demontierten Segmenten lagen, an die Reihe kamen usw.
Zuletzt wurden der Zug- und der Druckring demontiert und danach der Kranturm wieder entfernt. Sobald die Segmente demontiert waren, wurden diese in der Mitte einmal zerlegt und zur Verstärkung und Sanierung abtransportiert. Das Bild oben links zeigt die sorgfältig nummerierten Dachelemente die zur Konservierung abransportiert wurden um anschließend wieder eingebaut zu werden. Der Rest (Bild oben rechts) wurde verschrottet.
Das Innere der Gasometer. Links ist der Gasometer B. Das Dach wurde erst im August 1999 abgebaut nachdem die Vorarbeiten zur heutigen Bank Austria Halle abgeschlossen waren. Deutlich zu erkennen ist der gewölbte Gasometer-Boden. Bild rechts zeigt den Gasometer A nach Entfernung des Daches Anfang Juni 1999. Zu erkennen sind noch die senkrechten Führungsschienen an denen sich die Behälterglocke auf und ab bewegt hatte. Auch die eiserne Treppe ist noch vorhanden. Die dunkle Verfärbung unten stammt vom Wasser. Die vier Gasometer waren mehr als 80 Jahre mit 12 Meter Wasser (30.000 m³) gefüllt.
Die Bauarbeiten
Um das Projekt Gasometer zu realisieren, mussten in der Gasometer-Mauer zahlreiche Öffnungen geschaffen werden. Ein schwieriges Unterfangen, wie sich sehr rasch herausstellte. Das Mauerwerk – insbesondere im unteren (Bassin)Bereich – hatte die Festigkeit von Stahlbeton und so mussten die Ingenieure auf Bergbau-Equipment zurückgreifen. Mit Fräsen wurde dem Mauerwerk zu Leibe gerückt.
Einerseits wurde das Mauerwerk, teilweise in einer Stärke von 5,40 Meter mit Bergbaufräsen bearbeitet und im oberen Bereich, wo die Mauerstärke «nur» mehr 90 Zentimeter betrug, mit diamantbesetzten Stahlseilen aufgeschnitten.
Bild links: Der Haupteingang ins Shopping Center bei der U-Bahn. Die Mauerreste in der Mitte können erst entfernt werden wenn der Stahlbeton-Überzug fertig ist. Bild rechts: Der Haupteingang in den Gasometer B. Er liegt unter dem heutigen Zubau (Schild).
Bild links: Der Haupteingang in den Gasometer C. Der Bogen war ursprünglich der Eingang in einem Technikraum zwischen Gasometer C und D. Bild rechts: Der Haupteingang in den Gasometer D. Heute ist er über eine Treppe bzw. Rollstuhlrampe erreichbar.
Die Schneidearbeiten
Um den Einbau von Wohnungen, Büros und Geschäften zu ermöglichen, braucht es sehr viel Licht. Dazu wurden zahlreiche neue Öffnungen in die Gasometer-Haut geschnitten. Umstritten, weil die Gasometer unter Denkmalschutz stehen, aber natürlich notwendig, um den neuen Bestimmungszweck zu erreichen.
Ich zeige hier einen Teil dieser Arbeiten.
Stand der Schneidearbeiten im Frühjahr 2000. Die Bilder in der oberen Reihe zeigen die aufgeschnittenen Fenster im Gasometer A wo sich heute die mittlere Ebene des Shopping Centers befindet. Konkret handelt es sich um die Türen die vom ehemaligen «NewYorker» auf die Perme führen. Die untere Reihe zeigt die geschaffenen Öffnungen im mittleren Bereich des Gasometer D. Durch den Ziegelstaub von den Schneidearbeiten waren die Gasometer zu diesem Zeitpunkt rot gefärbt.
Der Innenausbau beginnt
Ab Herbst 1999 startete der Innenausbau der Gasometer. Ich habe Bilder von den Arbeiten im Gasometer B ausgewählt. Der Kran in der Mitte ist eine Betonpumpe.
Am 10. Oktober 1999 wurden Interessierten am «Tag der offenen Baustelle» Einblicke ins Innere gewährt. Im Gasometer D wurden einige Bereiche der Baustelle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Am Bild rechts unten ist noch die Aufschrift «Das Proletariat...» zu erkennen. Ein Überbleibsl der großen Ausstellung «100 Jahre SPÖ» die im Gasometer D zu sehen war. Die Aufschrift ist heute noch vorhanden – unter dem Betonkörper des Neubaues.
12. Februar 2000. Gasometer B: Ganz unten wird später die Bank Austria Halle eingebaut. (sehen Sie dazu einen eigenen Bericht). Zu sehen ist die gelbe Schalung auf dem später das Einkaufszentrum und jetzt die MusicCity untergebracht ist.
13. Mai 2000. Gasometer A. Das Innere des Gasometer A. Im Wohnereich ist der Rohbau bis in die fünfte Etage vorgedrungen. In der künftigen Shopping Mall werden gerade die Vorarbeiten für die Treppen getätigt. Die Betonschalung wird vorbereitet.
Bild links zeigt den Rohbau im Juli 2000. Der Platz ganz unten ist für die Bank Austria Halle vorgesehen, in der Mitte wird die Shopping-Mall/Musikschule sein und oben das Studentenwohnheim.
Anfang 2001 ist auch die Brücke zum künftigen Entertainment-Center fertig (Bild mitte). 500 Tonnen wird die fertige Brücke wiegen. Die Brücke wurde am Boden zusammengebaut, die Monage (Bild rechts) erfolgte mit einem fahrbaren Spezial-Schwerlast-Kran der extra aus Hamburg angefordert wurde.
Im Frühjahr/Sommer 2001 war das Bauvorhaben abgeschlossen. Von Mai bis September wurden die Gasometer – gestaffelt – besiedelt. Ich habe eine kleine Übersicht angefertigt, die zeigt, wo die unter Denkmalschutz stehenden Mauern geöffnet wurden (rote Bereiche). Eine Notwendigkeit, um Wohnungen hinter die alte Gasometer-Kulisse zu bringen. Tatsächlich sind die Wohnungen nicht dunkel – ganz im Gegenteil. Viel Licht und die Wohnzufriedenheit der Bewohner ist dokumentiert.
Die Zahlen des Projektes sind impossant: 615 Wohnungen, 230 Studenten-Appartements, 11.000 m² Büroflächen, eine Veranstaltungshalle für 4.200 Besucher, das Landesarchiv mit 70.000 Laufmeter Regalen, ursprünglich 22.000 m² Verkaufsfläche sowie zwölf Kinosäle, Geschäfte und Gastronomie im Entertainment-Center. Impossant ist auch das Bauvolumen: 174 Mio. Euro wurden in das Projekt investiert.
Die offizielle Eröffnung, damals mit großem Pomp, war am 31. August 2001. Bürgermeister Häupl und viele andere Promis feierten bei dieser Gelegenheit «den wichtigen Schritt der Stadtentwicklung». Eine gemischte Bilanz. Während das Shopping Center «G-Town» grandios scheiterte, ist die Wohnzufriedenheit unverändert groß.